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"Das Warten in Angst" - ein offener Brief Afghanischer Frauen zum Weltflüchtingstag

Das Leid afghanischer Frauen

Wir sind nicht hier aus Spaß. Unsere Leben waren in Gefahr. Das soll berücksichtigt werden und nicht mit uns gespielt werden.


Schrecken

Wie können wir in Afghanistan sicher leben, wenn wir, sobald wir auf die Straße gehen, in eine Ecke gedrängt und vergewaltigt werden? Und unsere Eltern verste­cken es, weil es Schande über die Familie bringt.

Wenn Sie in das Herz einer afghanischen Frau hineinsehen, sehen Sie nur Leid: das Kind vergewaltigt, der Mann ermordet, die Liste ist endlos. Das Sterben und Begraben von Familienmitgliedern gehört zum Alltag. Kinder müssen ihren Eltern beim Sterben zu­ sehen und sie auch noch begraben.

Es gibt kein sicheres Leben im nicht endenden Krieg, unter Bombenangriffen und Gewalt!
Für uns als Frauen gibt es eigentlich kein Leben.


In Österreich angekommen: in Sicherheit?

Eine Frau, die schwanger ist, verletzt sich aus Ver­zweiflung. Es gibt keinen Schutz für sie. Sie hat einen negativen Bescheid und muss das ihrer kleinen Tochter erklären. Alle wissen, dass sie, zurück in Afghanistan, den Taliban ausgeliefert werden würden.

Ich bin eine 27­jährige afghanische Frau, die nie ver­standen wurde. Ich bin hier seit 2 Jahren und 6 Mona­ten. Viele verstehen nicht, was eine afghanische Frau durchmachen muss. Schuhe zu suchen in einem Berg von Leichen, damit wir weitergehen können. Den Weg zu überstehen, das Kind in den Händen zu halten und zu wissen, dass wir ertrinken können, tagelang zu hungern, im Wald zu schlafen, ohne Wasser zu trinken. Wir sind angekommen und warten hier nur auf ein Papier, das bestätigt, dass wir Menschen sind. Und wir bekommen es nicht.


Kinder schützen?

Wir leben hier in einer sehr schlechten Situation. Die Kinder sehen die anderen, während sie mit Spielzeug spielen und wir können uns nicht mal das Essen leisten. Ich bin hier, damit meine Kinder eine bessere Zukunft haben, damit meine Kinder eines Tages jemandem etwas vorlesen können, eine Möglichkeit, die ich nie hatte. Kinder sollen nicht in Angst vor Abschiebung leben.
Sie sollen lernen, spielen und leben.


Warten in Angst

Wir warten 2, 3, 4 Jahre auf einen Interviewtermin und hoffen. Beim Interview werden wir oft eingeschüchtert und aggressiv adressiert. Wir haben nicht das Gefühl, dass es jemanden überhaupt interessiert, warum wir geflohen sind. Wir haben das Gefühl, dass die negative Entscheidung schon feststeht, noch bevor wir unseren Fluchtgrund benennen. Unser Leben wurde von Angst bestimmt. Und wir haben das Gefühl, dass uns beim Interview noch mehr Angst gemacht werden soll.

Mit viel Mühe arbeiten wir gegen diese Angst, mit der Zeit schaffen wir es, ein bisschen weniger Angst zu haben. Aber das ist offensichtlich nicht erwünscht. Auch auf der Straße werden wir oft gewaltvoll, oder zumindest ignorant behandelt. Wir werden oft nicht wahrgenommen. Oder nicht als Menschen gesehen.


Verständnis?

Die Situation ist so bedrückend, dass nur die Existenz meiner Tochter mich davon abgehalten hat, mich zu töten. Es ist eine ständige psychische Folter, auch hier werden Familien auseinandergerissen, auch hier herrscht ein Leben in Angst.

Vielleicht haben die europäischen Frauen viel davon gehört, aber sie können uns oft nicht verstehen. Wir wollen von den Menschen in der Europäischen Union verstanden werden.

Es ist wichtig, dass sie uns leben lassen, denn so wie es jetzt ist, können wir nicht leben.


Wir wollen kein Mitleid.

Wir wollen wie Menschen behandelt werden. Die Zu­kunft und die Sicherheit unserer Kinder muss beachtet werden.

Wir wollen das Recht auf Familienzusammenfüh­rung in Europa. Viele Familien sind in verschiedenen europäischen Ländern zerstreut. Familien dürfen nicht auseinandergerissen werden. Das Leben ist zu kurz, um es in Angst und Sorge, ohne unsere Familien zu ver­bringen.

Wir wollen uns aus dieser Ungewissheit befreien. Dazu brauchen wir Verbündete.

Wir wollen nicht das Geld vom Staat. Wir wollen die Möglichkeit, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Wir wollen arbeiten. Denn wir alle können Vieles machen.

Wir wollen das Recht auf Leben. Das Recht, unser Leben zu gestalten.


 

Dieser Brief wurde von afghanischen Frauen, die sich in „das kollektiv“ treffen verfasst. Mit diesem Brief wollen sie die österreichische Öffentlichkeit informieren, damit Politik nicht auf die Rücken von Frauen und ihrer Kinder gemacht wird.